Frankfurt (Reuters) – An den europäischen Aktienmärkten kämpfen Anleger mit kräftigem Gegenwind.
Der Dax fiel zur Wochenmitte in der Spitze um ein halbes Prozent auf 23.500 Punkte; der EuroStoxx50 gab ähnlich stark auf bis zu 5450 Zähler nach. “Die Märkte beobachten die zunehmenden Spannungen zwischen der Nato und Russland mit großer Besorgnis”, konstatierte Frank Sohlleder, Analyst bei ActivTrades. “Provokationen sind nichts Neues, doch die aktuelle Dynamik könnte schnell in einen offenen militärischen Konflikt münden.”
Auf die Stimmung drückten auch zurückhaltende Äußerungen von US-Notenbankchef Jerome Powell zur künftigen Geldpolitik, die zuvor bereits der jüngsten Rekordjagd an der Wall Street ein Ende gesetzt hatten. “Als Powell die Anleger am Dienstag daran erinnerte, dass weitere Kürzungen nicht garantiert seien, schreckten die Märkte zurück”, sagten Analysten von BCA Research. Nachdem die Fed vergangene Woche zum ersten Mal in diesem Jahr ihren Leitzins gesenkt hatte, gehen Händler dennoch von weiteren Zinssenkungen bei den beiden kommenden Fed-Sitzungen aus.
FINANZWERTE UNTER DRUCK – RÜSTUNG GEFRAGT
Aus den Depots flogen vor allem Finanzwerte. Ein europäischer Bankenindex gab rund ein Prozent nach. Die dänische Sydbank verbilligte sich um knapp drei Prozent, die britische Barclays Bank zeitweise um 2,5 Prozent. Die Aktien der Deutschen Bank fielen in der Spitze um 2,6 Prozent, die der spanischen BBVA um bis zu 1,5 Prozent.
Dagegen ließen die überraschenden Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zum Ukraine-Krieg Anleger bei Rüstungskonzernen zugreifen. Die Aktien von Rheinmetall kletterten in der Spitze um 2,5 Prozent auf 1959 Euro und erzielten damit ein frisches Rekordhoch. Die Titel des Rüstungszulieferers Hensoldt und des Panzergetriebe-Herstellers Renk verteuerten sich jeweils um rund fünf Prozent. Ein breit aufgestellter europäischer Branchenindex stieg um 1,5 Prozent. “Die Kehrtwende von US-Präsident Trump in der Ukraine-Politik bringt heute die Rüstungsaktien ins Spiel”, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.
Trump hatte sich am Vorabend zuversichtlich gezeigt, dass die Ukraine mit Unterstützung der EU und der Nato ihr von Russland besetztes Gebiet vollständig zurückerobern kann. Damit vollzog Trump eine rhetorische Kehrtwende, nachdem er bislang erklärt hatte, dass Kiew für ein Ende des Krieges Gebiete abtreten müsse. “Dies allein ist eine bedeutende Veränderung in der Optik und könnte darauf hindeuten, dass der Krieg länger andauert und die Unterstützung der USA für die Nato solide ist”, sagte Neil Wilson, Anlegerstratege bei Saxo Markets.
DÄMPFER FÜR KONJUNKTURERHOLUNG
Negative Überraschungen gab es auch auf der Konjunkturseite. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich überraschend eingetrübt und damit der erhofften Wirtschaftserholung einen Dämpfer versetzt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im September auf 87,7 Zähler, nach 88,9 Punkten im August. Es war der erste Rückgang nach einer Serie von sechs Anstiegen des an den Finanzmärkten stark beachteten Frühindikators. “Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer lässt auf Skepsis unter den deutschen Firmen schließen”, kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. “Bundeskanzler Merz hat seinen Vertrauensvorschuss, was eine konjunkturelle Wiederbelebung angeht, nach gut sieben Monaten bereits verspielt”, konstatierte RoboMarkets-Stratege Jürgen Molnar.
Einen Schock versetzte unterdessen die Finanzaufsicht BaFin den Aktionären der Gerresheimer AG. Die Behörde nimmt den Spezialverpackungshersteller wegen eines möglichen Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften unter die Lupe. Die Ankündigung der Abschlussprüfung ließ die Aktien des MDax-Konzerns in der Spitze um mehr als ein Drittel auf den niedrigsten Stand seit mehr als 15 Jahren einbrechen. Im Handelsverlauf grenzte die Aktie die Verluste auf rund 15 Prozent ein.
(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)