Kritik an Trump nach Thesen zu Paracetamol und Autismus

Washington (Reuters) – US-Präsident Donald Trump hat Autismus mit dem Schmerzmittel Paracetamol sowie Kinderimpfungen in Verbindung gebracht und damit heftige Kritik aus der Wissenschaft ausgelöst.

Bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus riet der republikanische Präsident am Montag Schwangeren sowie Eltern von Kleinkindern von der Verwendung des Schmerzmittels ab. Zudem legte er nahe, gängige Impfstoffe nicht kombiniert oder sehr früh im Leben eines Kindes zu verabreichen. Trump stützte sich dabei auf Aussagen, die wissenschaftlich nicht belegt sind.

“Ich sage es ganz offen: Nehmen Sie kein Tylenol. Nehmen Sie es nicht”, sagte Trump, der einräumte, kein Arzt zu sein. Paracetamol wird in den USA unter anderem unter dem Markennamen Tylenol verkauft. Mit Blick auf Impfungen fügte Trump hinzu: “Lassen Sie ihr Baby nicht mit der größten Menge an Zeug vollpumpen, die sie je in ihrem Leben gesehen haben.” Die Regierung empfahl zudem Leucovorin, eine Form von Folsäure, zur Behandlung von Autismus-Symptomen. Trump trat an der Seite von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. auf, einem bekannten Impfkritiker.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies die Thesen entschieden zurück. “Wir wissen, dass Impfstoffe keinen Autismus verursachen. Impfstoffe retten unzählige Leben. Das ist wissenschaftlich erwiesen und diese Dinge sollten wirklich nicht in Frage gestellt werden”, sagte ein WHO-Sprecher am Dienstag in Genf. Für einen Zusammenhang zwischen Paracetamol und Autismus seien die Beweise widersprüchlich. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärte, es gebe keine neuen Beweise, die eine Änderung der aktuellen Empfehlungen erforderten. “Verfügbare Beweise haben keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft und Autismus gefunden.”

WISSENSCHAFTLER: “THESEN POTENZIELL SCHÄDLICH”

Wissenschaftler und Ärzte reagierten ebenfalls mit scharfer Ablehnung. “Die zitierten Daten stützen nicht die Behauptung, dass Tylenol Autismus verursacht und Leucovorin ein Heilmittel ist”, hieß es in einer Erklärung der Coalition of Autism Scientists. “Sie schüren nur Angst und wecken falsche Hoffnungen, wo es keine einfache Antwort gibt.” Dutzende medizinische Fachverbände, darunter die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde, verurteilten die Aussagen Trumps. Die Autismus-Forscherin Diana Schendel nannte die Ankündigungen ohne Vorlage neuer Beweise “rücksichtslos und potenziell schädlich”.

Trumps Äußerungen zu Impfungen stehen im Widerspruch zu gängigen Empfehlungen. Er forderte, den Impfstoff gegen Hepatitis B erst ab dem zwölften Lebensjahr zu verabreichen und die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln in drei separate Impfungen aufzuteilen. Dem deutschen Paul-Ehrlich-Institut zufolge orientiert sich das empfohlene Impfalter jedoch an der Risikosituation des Kindes, um Säuglinge vor möglichen schweren Folgen von Infektionen zu schützen.

Der Konsumgüterkonzern Kenvue, Hersteller des in den USA unter dem Markennamen Tylenol bekannten Schmerzmittels, widersprach den Darstellungen ebenfalls: “Fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen eindeutig, dass die Einnahme von Paracetamol keinen Autismus verursacht.”

FDA WILL BEIPACKZETTEL VERÄNDERN

Einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2024 mit fast 2,5 Millionen Kindern zufolge gibt es keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und neurologischen Entwicklungsstörungen. Eine von Trumps Regierung zitierte Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2025 legte zwar eine Verbindung nahe, die Autoren betonten jedoch, dass damit eine Ursache nicht bewiesen sei. Auch für die Wirksamkeit von Leucovorin bei Autismus fehlten Beweise, erklärten Experten.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA kündigte indes an, Ärzte über ein mögliches Risiko aufzuklären und eine Änderung des Beipackzettels für rezeptfreie Paracetamol-Präparate anzustreben. Ein ursächlicher Zusammenhang sei jedoch nicht nachgewiesen, teilte die Behörde mit. Zudem soll die Produktion von Leucovorin gesteigert und die Kostenübernahme für die Behandlung von Autismus-Symptomen durch die staatliche Medicaid-Versicherung ermöglicht werden. Die FDA hatte eine Version des Medikaments von GSK für eine seltene Stoffwechselstörung zugelassen, die mit Autismus in Verbindung gebracht wird. GSK stellt dieses Mittel jedoch nicht mehr her.

Bereits während seiner ersten Amtszeit in der Corona-Pandemie hatte Trump wiederholt wissenschaftlich nicht fundierte Ratschläge erteilt. Einer Reuters/Ipsos-Umfrage vom September zufolge glaubt nur einer von vier Amerikanern, dass die jüngsten Impfempfehlungen der Trump-Regierung auf wissenschaftlichen Fakten beruhen. Der frühere FDA-Direktor Norman Baylor sagte, er habe “so etwas im Bereich der Impfstoffe noch nie erlebt”.

(Bericht von Jeff Mason, Julie Steenhuysen und Ahmed Aboulenein, unter Mitarbeit von Maggie Fick und Emma Farge, geschrieben von Patricia Weiß, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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