Palla wird Bahn-Chefin – Konzern hinkt bei Pünktlichkeit hinterher

– von Christian Krämer und Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Neue Chefin, andere Struktur, mehr Pünktlichkeit: Die Bundesregierung will die kriselnde Deutsche Bahn fit für die Zukunft machen.

Neue Vorstandsvorsitzende soll die bisher für den Regionalverkehr zuständige Bahn-Managerin Evelyn Palla werden, sagte Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) am Montag in Berlin. “Wir brauchen einen Neuanfang.” Die gebürtige Südtirolerin ist nach 190 Jahren Bahngeschichte die erste Frau an der Spitze und soll den bisherigen Bahnchef Richard Lutz ablösen. Dieser hatte die notorischen Probleme der Bahn – Unpünktlichkeit, Verluste, Kundenunzufriedenheit – nicht in den Griff bekommen.

Vor der 51-jährigen Palla liegt eine Herkulesaufgabe. Denn Schnieder hatte die Lage der Bahn im August als katastrophal bezeichnet: “Die Bahn muss pünktlich, sicher und sauber sein, der Konzern muss schneller, schlanker, schlagkräftiger und auch wirtschaftlicher werden.” Der Minister würdigte Palla als beste Kandidatin, die zudem die Bahn von innen und außen gut kenne. Palla arbeitete für Infineon sowie E.ON und wechselte 2011 zu den Österreichischen Bundesbahnen nach Wien. Dort war sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG für den Regionalverkehr zuständig. Im Februar 2019 kam sie zur Deutschen Bahn und trat ihre neue Funktion als Finanzvorstand der DB Fernverkehr AG an. Im Juli 2022 wurde sie Vorstand für Regionalverkehr der Bahn und damit Chefin von DB Regio.

Neuer Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO soll Dirk Rompf werden, der Erfahrung bei Beratungsfirmen und der Bahn hat. Beide Top-Personalien müssen von den zuständigen Gremien noch abgesegnet werden. Palla soll am Dienstag grünes Licht vom Aufsichtsrat bekommen. Das gilt im Fall vom Rompf nicht als ausgemachte Sache. Schnieder sagte, Palla müsse nach ihrem Antritt auch den vakanten Posten des Finanzvorstands bei der Holding besetzen. Dies solle schnell geschehen.

2029 NUR PÜNKTLICHKEIT VON MINDESTENS 70 PROZENT ANGEPEILT

Die Bahn wird auf Jahre nicht so pünktlich sein wie viele Wettbewerber im Ausland. Im Fernverkehr werde bis 2029 eine Pünktlichkeitsquote von mindestens 70 Prozent angestrebt, sagte Schnieder. Er sprach von einem realistischen Ziel. Mittelfristig sollten es dann 80 Prozent sein, langfristig 90 Prozent. “Das ist ein ganz, ganz weiter Weg”, räumte der CDU-Politiker ein. Damit wäre die Bahn dann auf Augenhöhe etwa mit dem Zugverkehr in Österreich oder den Niederlanden. Im Nahverkehr soll die Pünktlichkeit dauerhaft bei 90 Prozent liegen. Aktuell sind nicht einmal 60 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich, im Nahverkehr sind es rund 90 Prozent. Bisher hatte die Bahn schon bis 2027 eine Pünktlichkeit von 75 bis 80 Prozent angepeilt.

Verbesserungen seien nicht von heute auf morgen möglich, es brauche einen langen Atem, erklärte Schnieder. Hauptansatzpunkt des Ministers ist die Sanierung des Schienennetzes – mit Mitteln aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Infrastruktur. In die Digitalisierung sollen bis 2029 allein zehn Milliarden Euro fließen. Bis Ende 2026 soll ein Plan der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO vorliegen, wie das Netz insgesamt digitalisiert werden kann.

Die DB-Sparten Fernverkehr und Regionalverkehr sollen spätestens Ende 2028 dauerhaft profitabel sein, der Güterverkehr bereits ab 2026. “Die Sanierungsmaßnahmen der DB Cargo AG sind fortzusetzen und gegebenenfalls zu intensivieren”, heißt es in der Strategie des Ministers zur Bahn-Reform. Mit Blick auf den gesamten Konzern heißt es, alle Beteiligungen, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, sollten gebündelt und dann verkauft werden. Ein Konzept soll der DB-Vorstand 2026 vorlegen.

Für die Kunden will Schnieder Bahnhöfe sicherer und sauberer machen. Ab dem ersten Quartal 2026 soll dafür ein Sofortprogramm greifen. Die Kommunikation mit den Kunden soll bis spätestens 2027 verbessert und der Komfort in den Zügen erhöht werden.

Bei der Bahn-Holding wird das Infrastruktur-Ressort gestrichen. Das Technik-Ressort wird ebenfalls aufgelöst, dessen Aufgaben verteilt. Die künftige Aufgabenverteilung soll bis spätestens März 2026 dem Aufsichtsrat vorgelegt werden. Bei der InfraGO werden im Ressort “Bauen und Großprojekte” die wichtigsten Sanierungen im Schienennetz gebündelt. “Insbesondere für die Bauindustrie entsteht damit ein zentraler Ansprechpartner”, heißt es im Strategie-Papier. Die IT-Aufgaben werden bei der DB InfraGO verteilt. Doppelstrukturen bei der Holding und den Töchtern sollen abgeschafft werden. Ein Konzept hierzu soll bis Ende März 2026 vorliegen.

Die Gewinne der gemeinwohlorientierten DB InfraGO sollen ausschließlich der dringend sanierungsbedürftigen Infrastruktur zugutekommen und keine anderen Bereiche im DB-Konzern quersubventionieren. Die Gewinne sollen transparent dargestellt werden. Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag soll überprüft werden.

(Redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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