Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Friedrich Merz will einen neuen “Konsens der Gerechtigkeit” in Deutschland erreichen.
Dafür werde die schwarz-rote Bundesregierung umfassende Reformen angehen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen und die Sozialsysteme effektiver zu machen. “Wir werden Strukturen verändern. Wir müssen Dinge neu ordnen, damit sie auch künftig ihren Zweck erfüllen”, sagte der CDU-Chef am Mittwoch in der Generaldebatte über den Haushalt 2025 im Bundestag. Der “Herbst der Reformen” sei längst eingeleitet.
Merz nutzte seine Rede, um eine positive Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit zu ziehen und stellte sich in der Debatte hinter die Vorschläge von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche zur Energiepolitik, die “in die richtige Richtung” gingen. Zugleich bremste er Steuererhöhungsvorschläge des Koalitionspartners SPD. Die Steuern müssten “in einem vernünftigen Rahmen” gehalten werden, warnte Merz. “Wir können die sozialen Versprechen nicht halten, indem wir wenigen, und seien sie auch noch so vermögend, möglichst viel nehmen von dem, was sie haben.” Entscheidend sei, dass die Wirtschaft wieder anspringe. Er verwies dazu auf Investitionszusagen großer Konzerne, die beschlossene Senkung der Stromkosten und den Abbau der Bürokratie.
Dagegen forderten SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Besserverdienenden. Er sei froh, dass darüber eine Debatte in Gang gekommen sei, sagte Miersch in Anspielung auf Äußerungen von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn. Denn auch eine faire Besteuerung gehöre zur Gerechtigkeit. “Vielleicht kriegen wir auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wo wir uns mit dem Thema Erbschaftsteuer usw. sowieso auseinandersetzen müssen”, fügte er hinzu. Zur Gerechtigkeit gehöre, dass “die großen, breiten Schultern, die großen, großen Vermögen stärker beteiligt werden müssen”.
Merz warnte, dass Deutschland in dreifacher Hinsicht gefährdet sei. Die Freiheit sei bedroht durch Russland, das nach dem Krieg gegen die Ukraine nicht halt mache. Der Zusammenhalt im Land werde gefährdet “durch politische Kräfte im In- und Ausland, die unsere Demokratie verächtlich machen”. Und das Wirtschaftsmodell stehe unter Druck durch einen neuen Protektionismus, hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie und durch eine neue Welle an technologischer Innovation.
Merz kündigte umfassende Reformen bei der Rente, dem Gesundheitssystem und dem Bürgergeld an. “Es geht nicht darum, Menschen, die nicht arbeiten können, das Leben noch schwerer zu machen. Aber wir wollen, dass alle, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten. Auch das ist eine Frage der Gerechtigkeit”, betonte er. Der Kanzler verteidigte zudem die Einsetzung von Kommissionen, die tiefgreifende Reformen vorbereiten sollen. Diese sollten Entscheidungen nicht verschleppen, sondern Konsens schaffen. “Wir haben als Koalition den Willen, einen neuen Konsens in Deutschland zu all diesen Fragen zu begründen”, sagte Merz.
Zugleich betonte der Kanzler, dass die Reformen nach dem Herbst weitergehen müssten. “Der Herbst der Reformen wird auch nicht die letzte Jahreszeit sein, in der wir das Land zum Besseren verändern. Es wird sich ein Winter, ein Frühling und ein weiterer Herbst der Reformen anschließen”, fügte er hinzu. “Wir brauchen alle Jahreszeiten und mindestens drei Jahre lang”, sagte auch SPD-Fraktionschef Miersch.
AfD-Co-Chefin Alice Weidel warf der Regierung eine völlig falsche Prioritätensetzung im Haushalt 2025 vor. Die geplanten Auto- und Stahl-Gipfel würden nichts daran ändern, dass die Regierung Firmen aus dem Land treibe. Auch die Grünen-Fraktions-Co-Chefin Katharina Dröge kritisierte eine falsche Schwerpunktsetzung der schwarz-roten Koalition. Sie warf vor allem Wirtschaftsministerin Reiche vor, von den ökologischen Zielen der Vorgängerregierung abzurücken. CDU/CSU-Fraktionschef Spahn widersprach dem und warf Weidel “martialischen Populismus” vor. Die AfD betreibe “Verrat am Vaterland”, weil sie sich mit der Forderung eines Endes der Unterstützung für die Ukraine als “fünfte Kolonne” Moskaus zeige.
(Bericht von Andreas Rinke, Markus Wacket; redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)