Kurs der Regierung bei Energiewende nach Monitoring unklar

– von Holger Hansen und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – In der Bundesregierung bleibt die künftige Ausrichtung der Energiewende auch nach einem mit Spannung erwarteten Monitoring-Bericht weiter unklar.

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) forderte am Montag eine grundlegende Neuausrichtung mit Fokus auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit. Sie will unter anderem die Förderung für neue Solaranlagen auf Hausdächern streichen. Sie begründete dies mit niedrigeren Prognosen für den künftigen Strombedarf. Umweltminister Carsten Schneider (SPD) warnte umgehend davor, beim Ausbau der erneuerbaren Energien auf die Bremse zu treten. Während Wirtschaftsverbände Reiches Initiative teils begrüßten, stießen die Pläne bei Umweltorganisationen und Grünen auf Kritik.

Grundlage für Reiches Vorstoß ist ein neuer Monitoring-Bericht zur Energiewende. Dieser geht für das Jahr 2030 von einem Strombedarf zwischen 600 und 700 Terawattstunden (TWh) aus. Die bisherige Annahme von 750 TWh sei nicht mehr realistisch, sagte Reiche. Als Gründe nannte sie die schleppende Elektrifizierung in Industrie und Verkehr sowie den hinterherhinkenden Einbau von Wärmepumpen. Da der Stromverbrauch geringer ausfalle, sei das Ziel eines Ökostrom-Anteils von 80 Prozent bis 2030 auch bei einem optimierten und damit langsameren Ausbau erreichbar. “Der Erfolg der Energiewende bemisst sich nicht nur an der installierten Leistung”, sagte Reiche. Es gehe darum, jede erzeugte Kilowattstunde optimal zu nutzen. Am Ziel der Klimaneutralität bis 2045 halte sie fest.

SCHNEIDER: KEINE KÜNSTLICHEN HÜRDEN ERRICHTEN

Konkret hält Reiche eine Förderung für private Dachanlagen mit Batteriespeichern nicht mehr für nötig, da sich diese für die Besitzer bereits rechneten. Zudem verwies Reiche auf jüngste Ausschreibungen für Windkraft auf See, die ohne Gebote endeten. Grund seien sogenannte Verschattungseffekte durch eine zu dichte Bebauung, welche die Wirtschaftlichkeit der Projekte gefährdeten. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sollen noch Ende dieses Jahres erste Ausschreibungen für neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke starten. Bis 2027 soll zudem ein technologieoffener Kapazitätsmarkt eingeführt werden, um die Stromversorgung auch in Zeiten ohne Wind und Sonne zu sichern.

Klimaminister Schneider widersprach der Analyse mit Blick auf den Strombedarf. Man dürfe sich “keinesfalls künstliche Hürden” beim Ausbau der Erneuerbaren aufbauen. Für eine realistische Betrachtung müsse der deutlich wachsende Strombedarf für Heizen und Elektromobilität stärker berücksichtigt werden: “Hier wird der Bedarf deutlich wachsen, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen.” Erneuerbare Energien seien die günstigste Energiequelle. Statt den Ausbau zu bremsen, müsse die Politik nun Netze, Speicher und die flexible Steuerung von Angebot und Nachfrage in den Mittelpunkt stellen.

Von Wirtschaftsverbänden erhielt Reiche Zuspruch, aber auch Widerspruch. Der Industrieverband BDI lobte das Reformpaket, der Verband der Chemischen Industrie forderte, die Bezahlbarkeit wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Der Energieverband BDEW erklärte jedoch: “Am erheblichen Ausbaubedarf erneuerbarer Energien ändert sich aus Sicht der Energiebranche nichts.”

Heftige Kritik kam von Umweltorganisationen. Der Bundesverband Erneuerbare Energie warnte vor einem Ausbremsen der Energiewende, die Deutsche Umwelthilfe warf Reiche vor, auf “Vorschläge der Gaslobby” zu setzen. Grünen-Energieexperte Michael Kellner äußerte die Befürchtung, Reiche wolle die Energiewende abbremsen: “Klimaschutz wird durch diese Regierung abgewickelt.” SPD-Energieexpertin Nina Scheer bewertete den Bericht als positives Bild der Energiewende. Zur Vermeidung von Deindustrialisierung müsste nach ihren Worten bei den Erneuerbaren “der Hochlauf angesichts steigender Bedarfe bei Rechenzentren und bei Wasserstoffgewinnung sogar noch gesteigert werden”.

(Redigiert von Chrstian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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