Bundesbank-Präsident Nagel – Zinsniveau noch nicht ausreichend hoch

Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich im Kampf gegen die hohe Inflation aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel auch nach der achten Zinserhöhung in Folge noch nicht zurücklehnen.

Um weiterhin einen sicheren, glaubwürdigen Anker zu bieten, müsse die Geldpolitik in ihrem Vorgehen überzeugen, sagte Nagel am Donnerstag auf einer Veranstaltung in Frankfurt laut Redetext. Gegenwärtig gehe es vor allem darum, mit Leitzinserhöhungen zu überzeugen. Der relevante Leitzins, der Einlagesatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, sei mit derzeit 3,5 Prozent noch nicht hoch genug. “Ich denke, damit ist noch kein ausreichend hohes Niveau erreicht”, sagte Nagel.

Wie weit die Zinsen tatsächlich steigen müssten, werde von den eingehenden Daten abhängen. “Klar ist: Wenn wir oben am höchsten Punkt angekommen sind, dann bleiben die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf diesem Level”, sagte Nagel. Um die Inflation zu brechen, brauche es energisches Handeln genauso wie Beharrlichkeit. Die EZB hat die Zinsen seit Juli 2022 in rasanten Tempo bereits um zusammengenommen 4,0 Prozentpunkte erhöht. Erst vergangene Woche setzte sie die Schlüsselsätze wie schon im Mai um 0,25 Prozentpunkte nach oben. EZB-Chefin signalisierte zudem für Juli den nächsten Zinsschritt.

Die Banken in der Euro-Zone erachtet Nagel trotz der jüngsten Turbulenzen im US-Finanzsektor für stabil. “Das Bankensystem im Euroraum hat sich als widerstandsfähig und solide erwiesen”, führte er aus. Die jüngsten Bilanzzahlen zeigten eine gute Eigenkapitalbasis sowie gute Liquiditätsausstattung der Institute. “Da mache ich mir aktuell keine großen Sorgen.” Dennoch stelle das Straffen der Geldpolitik die Banken vor Herausforderungen.

Laut dem Bundesbank-Chef ist es aktuell zudem wichtig, dass die Ausrichtung der Finanzpolitik die Aufgabe der Geldpolitik nicht erschwere. “So sollten Deutschland und die anderen Euro-Länder die breit angelegten Krisenhilfen zeitnah auslaufen lassen”, forderte Nagel. Dabei läge es nahe, die Energiepreisbremsen nicht über Ende dieses Jahres hinaus zu verlängern. Um in einer erneuten Krisensituation handlungsfähig zu bleiben, sei es zudem sinnvoll, Budgetdefizite zu begrenzen.

(Bericht von Frank Siebelt. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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