Scholz – Nicht gesamtes China-Geschäft überwachen

– von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich gegen eine flächendeckende Überwachung der Wirtschaftsbeziehungen mit China ausgesprochen.

Es sei zwar richtig, dass man bei der Lieferung von Gütern für die Rüstung oder Überwachung genauer hinschauen müsse, sagte Scholz am Montag auf einem Kongress des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). “Da muss man sehr vorsichtig sein. Aber deshalb muss man nicht das ganze wirtschaftliche Geschehen einer Verwaltung unterwerfen”, sagte er auf die Frage nach Vorschlägen der EU-Kommission für mehr Wirtschaftssicherheit.

Die EU-Kommission will am Dienstag Vorschläge zu Kontrolle von Investitionen in China und Exporten in die Volksrepublik vorlegen. Diese sind allerdings nicht bindend, weil die Mitgliedstaaten dafür die Kompetenz haben. Erwartet wird, dass die Kommission eine härtere Gangart gegenüber China vorschlägt.

Scholz betonte, dass Deutschland bereits ausreichende gesetzliche Regelungen zum Schutz der deutschen Wirtschaft habe. Er pochte bei der BDI-Konferenz erneut darauf, die Risiken im China-Geschäft abzubauen, sich aber nicht abzukoppeln. Auch die sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) hätten China klar gemacht, dass sie das Wachstum des Landes nicht bremsen wollten, aber den Verzicht auf eine gewaltsame Eroberung des von China als abtrünnige Provinz angesehene Taiwan erwarteten. Die USA und die EU würden heute eine wesentlich einheitlichere Haltung gegenüber China haben als noch vor wenigen Monaten.

Die Deutsche Industrie und Handelskammer (DIHK) betonte die wirtschaftliche Bedeutung Chinas. “Die Risiken und Herausforderungen für die Unternehmen sind deutlich gewachsen”, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian zu Reuters. “Viele Betriebe sehen dennoch weiterhin Chancen auf dem chinesischen Markt. Sie werden allein wegen der Größe an dem Land nicht vorbeikommen”, fügte er aber hinzu. Denn dort lebe fast ein Fünftel der Weltbevölkerung. “Von den mehr als 5000 dort tätigen deutschen Unternehmen produzieren heute bereits etwa 90 Prozent für den chinesischen Markt.” Hintergrund ist die Forderung der Bundesregierung, die Firmen müssten einen Risikoabbau im China-Geschäft forcieren, unter anderem durch Investitionen in anderen Ländern. Am Wochenende hatte Reuters berichtet, dass der Bund die Exportkreditgarantien für China bisher aber nicht gedeckelt hat.

“Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen durchlaufen schwere Zeiten. Gerade auch wegen der geopolitischen Spannungen baut sich derzeit Druck auf”, sagte Adrian. Umso wichtiger sei es, miteinander zu reden statt sich gegenseitig voneinander abzugrenzen. Dafür setzte sich auch BDI-Präsident Siegfried Russwurm ein. China müsse aber auch aushalten, wenn es von der EU und Deutschland sowohl als Partner, aber auch als Wettbewerber und systemischer Rivale angesehen werde. Der Handel mit China macht knapp zehn Prozent des deutschen Handelsvolumens aus. “Die Unternehmen sind intensiv dabei, ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte strategisch zu diversifizieren und neue Partnerschaften aufzubauen”, sagte Russwurm.

Chinas Ministerpräsident Li Qiang rief die Bundesregierung dazu auf, trotz Differenzen nach Gemeinsamkeiten zwischen der Volksrepublik und Deutschland zu suchen. “Die heutige Welt befindet sich in einer Phase von Chaos und Wandel”, heißt es in einer von der chinesischen Botschaft verbreiteten Rede. Deutschland und China sollten “die Tradition der Freundschaft” hochhalten und die Kontakte intensivieren, erklärte er.

Li war zusammen mit einigen Ministern am Sonntag in Berlin angekommen. Er wird sich auf seiner ersten Auslandsreise bis Mittwoch in Deutschland aufhalten. Anlass sind die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Dienstag. Am Montag kam Li zunächst mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie führenden Vertretern deutscher und chinesischer Unternehmen zusammen. Nach Angaben des Präsidialamtes forderte Steinmeier Li dabei auf, Chinas Einfluss auf Russland für eine Beendigung des Ukraine-Kriegs geltend zu machen, “um auf einen gerechten Frieden hinzuwirken”. Steinmeier betonte zudem die Bedeutung, dass die USA und China wieder miteinander reden würden.

Scholz empfängt Li am Abend zu einem Abendessen im Kanzleramt. Dabei dürften auch kritische Themen wie die Menschenrechtslage in China, die Spannungen um Taiwan und Klagen deutscher Firmen über Nachteile auf dem chinesischen Markt eine Rolle spielen.

(Mitarbeit: Christian Krämer, Phil Blenkinsop, Redigiert von Chrisian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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